ZUCHTGESCHICHTE

(aus TRAKEHNER HEFTE 4/94 S. 12 bis S. 15:)

Die Anfänge der Zucht in Schralling gehen auf das Jahr 1964 und den Rapphengst Elchwald, geb. 1964 v. Isländer a. d. Elfenfreude v. Absprung zurück. Seine Nachkommen sowie die des langjährigen Nachfolgers Etong, geb. 1967 v. Maharadscha a. d. Etüde v. Jonkheer xx sind leider durch Verkauf ausgeschieden. Viele von den letzteren, so wie auch der Vater, sind hochveranlagte Dressurpferde geworden, sowohl im In- als auch im Ausland. Eine Bestätigung dafür findet sich in den Jahrbüchern der FN. Ein wahrer Stempelhengst für Schralling wurde der lange Jahre hindurch stark benutzte Fuchshengst Kassius, geb. 1970 v. Impuls a. d. Kassandra v. Sporn. Er war Sieger der Hengstleistungsprüfung in Medingen, Championatssieger 1975 in Wiesbaden und nicht nur in der Trakehner Zucht, sondern auch in der bayerischen Landeszucht hoch angesehen. 1970 wurde in Schralling ein Hengstfohlen geboren, das zwei Jahre später in Neumünster gekört wurde und zur Auktion gelangte. Es war der Schimmel Scharnhorst von Kassio der Baronin Lotzbeck und a. d. Sally von Pregel. Nach einigen Jahren Beschälertätigkeit in Deutschland ging dieser Hengst in die USA.

1976 stellte H. E. Wezel den braunen Hengst Memelstolz, geb. 1973 v. Amagun a. d. Morava v. Traumgeist xx, ein. Vier außerordentlich gut gelungene Töchter dieses Hengstes bildeten Jahre hindurch eine Zierde des Gestüts und konnten auch schöne Erfolge auf der Landesausstellung 1983 in München erringen. Zwei weitere zuchterprobte Töchter wurden, so wie auch Memelstolz selbst, nach Österreich abgegeben.

Den hohen Anforderungen entsprechend, die in Schralling an alle Gestütspferde gestellt werden, wurden eine ganze Reihe von Stuten auch auswärtigen Hengsten zum Belegen zugeführt. Besondere Erfolge brachten die Anpaarungen mit so bekannten Beschälern wie Mahagoni, Tenor, Matador oder Habicht. Glückliche Umstände ermöglichten es, leihweise den Trakehner Spitzenhengst Kastellan, geb. 1974 v. Karwendelstein a. d. Korbetha v. Kapitän aus der Zucht des Fürsten von Dohna, für eine Deckzeit nach Schralling zu bekommen. Seine Nachzucht bestätigt mit ihrer Qualität dieses Unternehmen. Der von Schralling im Tauschwege für Österreich zur Verfügung gestellte braune Hengst Topas brachte in Bayern nur Z I-Fohlen.

Im Folgejahr kam ein weiterer Hengstaustausch zur Durchführung. Topas ging als Hauptbeschäler in das tschechische Hauptgestüt Albertovec, wo er sich nicht nur als Vatertier sehr bewährte, sondern auch als überaus erfolgreiches Springpferd. Seine Nachzucht war bei den obligaten Leistungsprüfungen stets in den vorderen Rängen vertreten.

Im Austausch für Topas kam der langjährige Albertovecer Hauptbeschäler Karneol v. Impuls a. d. Kassandra aus Webelsgrund nach Schralling. Er wurde 1969 vom damaligen Leiter von Albertovec, Ing. Franz Lamich, dem fünfzehnmaligen Staatsmeister in Dressur und auch von Aachen her bekannten Dressurreiter, ersteigert. Die Leistungsprüfung absolvierte Karneol in geradezu verblüffender Manier. Im Wagen ging er hervorragend und im Dienst unter dem Sattel stand er ebenfalls an der Spitze des Prüfungsfeldes. Von 1973 bis 1975 wurde er im Tauschwege leihweise an die staatliche Trakehner Zucht der damaligen DDR abgegeben. Dort wurden drei seiner Söhne gekört und 35 Töchter eingetragen. Seine Nachzucht wurde in der DDR als solide und starkknochig mit gutem Trakehner Typ und ebensolchen Grundgangarten beschrieben. In Albertovec wurden von Karneol 112 Fohlen geboren. Anfang 1984 standen zehn Söhne als Landesbeschäler in Verwendung und acht Töchter als Mutterstuten in Albertovec. Trotz seines Alters zeigte dieser Hengst eine seltene Vitalität, ausgezeichnete Decklust, sowie Fruchtbarkeit und hervorragendes Temperament und Charakter.

Mit Karneol gelangte seine Tochter Rupia nach Schralling. Geboren 1980 in Albertovec, stammt diese großrahmige Rappstute aus der 648 Rupija-56 von 81 Prival-11 aus Kirow. Sie nimmt aufgrund ihrer bisherigen züchterischen Leistung einen hohen Rang in Schralling ein. Von den drei Stutfohlen, die sie bisher von Inster-Graditz brachte, kann man nur sagen: Eines besser als das andere! Neben vielen wertvollen Vorfahren aus Trakehnen scheinen auch die Eltern des berühmten Olympia-Dressurpferdes Pepel in ihrer Abstammung auf. In Schralling hat man schon früh erkannt, wie wichtig es ist, wertvolles Leistungsblut aus dem Osten herein zu nehmen. Besonders veranlagte russische Trakehner wurden durch viele Jahre hindurch auf der heute umstrittenen Großen Pardubitzer Steeplechase geprüft. Der Hengst Epigraf konnte dieses schwerste Hindernisrennen des Kontinents dreimal gewinnen und wird von dem bekannten russischen Hippologen Professor Barminzew als der beste russische Trakehner bezeichnet.

Einen sehr hohen Rang nimmt auch die typvolle Fuchsstute Issandra ein. 1974 in Schralling von Kassius a. d. Istana geboren, brachte sie bisher mit zwölf Fohlen eine durchweg sehr wertvolle Nachzucht. Als Krönung für sich selbst und das Gestüt kann man ihren 1987 geborenen Sohn Inster-Graditz bezeichnen. Prämienhengst bei der Körung 1989 und derzeit beim DOKR unter Thies Kaspareit mehrfach mit großem Erfolg vorgestellt, stand er zweimal im Bereich des Landgestüts Moritzburg im Deckeinsatz, wo er mit über 60 Stuten angepaart wurde. Anlässlich der Fohlenprämierung 1993 in Sachsen wurde von der staatlichen Gestütsverwaltung ein Hengstfohlen von ihm als bestes Produkt der sächsischen Warmblutzucht bezeichnet und als Hengstanwärter zur Aufzucht in Graditz angekauft. Schralling selbst kann bereits auf eine Reihe von sehr geschmackvollen und herausragenden Nachkommen hinweisen.

Aus der wunderschönen Fuchsstute Donauflamme von Habicht a. d. Donauinsel von Schimmelhof Lstb.D., die von Rantzau nach Schralling gelangte, wurde 1985 von Karneol der Hengst Donauzauber gezogen. Die Leistungsprüfung im ungarischen Hengstdepot Nagycenk bestand er mit Rang I und wurde für zwei Jahre Hauptbeschäler im Staatsgestüt Sárvár dieses Landes. Seine Nachzucht spielt nicht nur in Ungarn eine beachtliche Rolle, sondern auch im slowenischen Privatgestüt von Franz Koschir in Ljubljana. Derzeit steht dieser Hengst dem Military-Reiter Jürgen Blum-Zolling in Solling zur Verfügung.

Es scheint schier unmöglich, auf alle Stuten, die in Schralling genutzt wurden, näher einzugehen. Über ihre Nachkommen sind sie weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden. Erwähnung sollen daher nur einige herausragende Stuten finden. Die Blitzrot v. Donauwind zum Beispiel. Sie war Reservesiegerin bei der Stutenleistungsprüfung in Medingen. Oder die Schöne Stunde v. Tenor a. d. Schöner Tag. Sie war Siegerin bei der zentralen Stuteneintragung in Ellingen und Siegerin bei obiger Leistungsprüfung. Sie wurde zum Aufbau einer neuen Zucht nach Italien verkauft. 1986/87 war der gepachtete dunkelbraune Hengst Schwertträger von Hilarius a. d. Schleppjagd in Schralling aufgestellt, wo er sechs Fohlen brachte.

Ihm folgte der Rappe Herbstruf, geb. 1976 v. Lucado a. d. Herbstrose II v. Vivaldi für die nächste Deckperiode. Er war Körungssieger 1979 in Neumünster. Für Schralling brachte er zwei Hengstfohlen, von denen eines, Indianapolis, nach Belgien abgegeben wurde. Außerdem zwei Stutfohlen, in die große Hoffnungen gesetzt werden können. Die Mutter von Herbstruf, St.Pr.St. Herbstrose II, gehört der Trakehner Stutenfamilie der Herbstzeit an.

Gewissermaßen nebenbei wurden auch später stets wertvolle Hengste wie Arogno, Donaumonarch, Kennedy, Lehndorff‘s und der Russe Almox Prints J benutzt. Daraus resultierte u. a. die dunkelbraune Isola Irenka v. Arogno a. d. Isola Negra v. Halali. Sie war Siegerin bei der zentralen Stuteneintragung in München 1992 und Reservesiegerin bei der Stutenleistungsprüfung 1992 in Medingen. Außerdem im gleichen Jahr Reservesiegerin bei der Staatsprämienvergabe in München-Riem. Siegerin bei letzterer war die Schralling Stute Schöner Morgen, die Reservesiegerin bei obiger Eintragung in München war.

1986 wurde in Neumünster der Hengst Peron v. Mahagoni a. d. Peru v. Coktail gekört. Schralling verkaufte diesen selbstgezogenen Hengst nach Kanada. Er wurde später erfolgreiches Dressurpferd in den USA. Seine Mutter Peru wurde in Hunnesrück als Fohlen ersteigert. Sie brachte für Schralling auch die recht hoch benotete Stute Perkallen vom englischen Vollblüter Maquisard xx.

Geschicktes Management des Gestütsherrn ermöglichte den Erwerb des stattlichen Fuchshengstes Alarm III aus dem Bestand von Moritzburg. Schon in seiner III. Ahnenreihe scheinen so wertvolle Vorfahren wie Dampfross, Hirtensang und Pythagoras auf. Seine Mutter Almut gehörte zur Trakehner Stutenfamilie der 165 Tiberiussche. In diesem Hengst war hoher Adel mit Kaliber in günstiger Form vereint. Hervorragender Charakter und auch Temperament waren diesem wertvollen Vatertier zu Eigen. Sein Wert wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass er einige Jahre als Hauptbeschäler in Kirow verwendet wurde. In Russland brachte er die Hauptbeschäler Parol für Kirow und Sagar für Tschutowo.

Neben Inster-Graditz, der über die Deckzeit 1994 wieder seine heimatliche Box bezogen hat, steht als Pachthengst der Fuchs Nerv aus Moritzburg im Gestüt. Edel und ausdrucksvoll kann auch er auf eine wertvolle Abstammung verweisen. Nicht zuletzt deswegen, weil sie in der heutigen Trakehner Zucht schon recht spärlich vertreten ist. Sein Vater Ralf vom ehemaligen Georgenburger Landbeschäler Markwart (Begas), aus der berühmten Zucht von Sperber/LENKEN zählte zur Elite der Trakehner Zucht in der ehemaligen DDR. Seine Mutter Newa aus Graditz war über Neujahr eine Enkelin des braunen Neumond, Landbeschäler im ehemaligen Westpreußen und in Trakehnen gezogen.

Aber was wäre eine noch so passioniert betriebene Zucht ohne absolut verlässliche Betreuung der Pferde, des Stalles und der Weiden. In Schralling liegt dieses weitläufige Aufgabengebiet in den bewährten Händen der stets unermüdlichen Züchterfamilie selbst, zeitweilig von Aushilfskräften unterstützt.

Der Pflege der ausgedehnten Weiden, der Kompostierung des anfallenden Stallmistes sowie der kleinen Mutterkuhherde gilt das besondere Augenmerk des Gestütsherren.

In Schralling versteht man es auch, die temperamentvollen Trakehner Stuten im leicht hügeligen Terrain von Oberbayern einzufahren. Und so ist es im Raum von Burgkirchen schon ein gewohnter Anblick, korrekt angespannte Rappen oder Füchse mit englischen oder original ungarischen Geschirren auf den Feldwegen zu sehen. Sehr oft mit der Gattin des Gestütsherren auf dem Bock, die sich als aufmerksame und leidenschaftliche Fahrelevin bewährt.

Hans Brabenetz