KEEPING TRAKEHNERS ON TRACK

Der Autor

Dr. Thomas Reed ist gebürtiger Amerikaner und promovierte an der Columbia University in New York, wo er auch einen Ruf als Professor erhielt. Seit 1999 in seiner Wahlheimat Irland ansässig, gründete er mit seiner Frau das Morningside Stud. Er ist Zuchtleiter des Warmblood Studbook of Ireland und ein Mitglied des Trakehner Verbandes seit 2006. Aus seinem Zuchtprogramm stammen internationale Spring- und Vielseitigkeitspferde, mehrere gekörte Hengste und prämierte Zuchtstuten. Morningside Studs Hengststation ist die Heimat der internationalen Spitzenhengste Condios (Holsteiner) und Desir du Chateau {Seile Francais) sowie Ekstein (KWPN), Muttervater des Olympischen Goldmedaillengewinners Hickstead (Peking 2008). Für weitere Informationen: www.morningside-stud.com und www.irish-warmblood.com. Tom Reed kann per E-Mail unter tom@morningside-stud.com erreicht werden.  

 

 

Der Trakehner kann auf eine lange, erfolgreiche Geschichte als vielseitig veranlagtes Reitpferd zurückblicken. Oft brachte die Zucht Sporterfolge bis zur Olympiade in allen Disziplinen. In den Annalen der Dressur werden Namen wie Peron TSF, Biotop oder Pepel für immer auftauchen, genauso wie Nurmi, Habicht und Windfall in der Vielseitigkeit, oder Abdullah, Almox Prints und Livius im Springen. Leider hat die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Trakehner Züchter auf einen Pfad weg vom Sportpferd und hin zum ,Typpferd‘ wandern lassen. Für viele Züchter und auch den Verband selber schien der Trakehner Typ als Zuchtziel ausreichend zu sein und Sportlichkeit verlor an Bedeutung. Im 21. Jahrhundert scheint sich ein Trend durchzusetzen, bei dem Züchter und Verbandsobere wieder den Sport in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen rücken wollen – es werden wieder Athleten gezüchtet, keine Schönheitskönige. Dennoch muss man feststellen, dass die ,verlorenen Jahre‘ Schaden angerichtet haben, von dem sich diese kleine Zucht nicht so schnell erholen wird. Wie kann sich die Trakehner Zucht ihren Stellenwert als Weltklassezucht in allen drei Olympischen Disziplinen zurück erobern? Leider ist es deutlich einfacher, ein großartiges genetisches Reservoir zu vernichten, als ein neues zu errichten, vor allem dann, wenn man mit einem geschlossenen Stutbuch arbeitet. Andere Warmblutverbände erlauben grundsätzlich anerkennungsfähige Hengste und Stuten in ihrer Population, wenn sich die Zuchtleitung einen Vorteil verspricht. Zwei extreme Gegenteile in Philosophie und Umsetzung stellen wohl das Stutbuch Zangersheide auf der einen Seite, und der Trakehner Verband auf der anderen Seite dar. Zangersheide hat eine gänzlich offene Politik und registriert Fohlen aller in einem WBFSH-geführten Zuchtverband anerkannter Hengste und Stuten. Im Gegensatz dazu steht der Trakehner Verband, der außer Vollblütern und Arabern keine weiteren genetischen Outcrossvarianten erlaubt. Dementsprechend sieht sich der Trakehner Verband mit der monumentalen Aufgabe konfrontiert, aus diesen limitierten Ressourcen eine Verbesserung der allgemeinen Sportlichkeit zu züchten. Wenn die Hannoveraner oder KWPN Springpferde für internationale Aufgaben züchten wollen, steht ihnen die Möglichkeit, nach Holstein zu gehen, immer offen. Ebenso können sie sich bei der Züchtung internationaler Dressursieger auch immer an die Trakehner wenden, und tun das auch höchst erfolgreich. Holländische Züchter scheuen sich nicht, immer wieder erstklassige Trakehner Stuten in ihre Population einzukreuzen. Nur die Trakehner können sich eben nicht in Holland oder in einem der anderen Hochzuchtgebiete bedienen. Was also können die Trakehner Züchter tun?

Selektieren und Aussortieren

Zwei fundamentale Prinzipien in der Tierzucht sind dieSelektion und das Aussortieren ungeeigneten Zuchtmaterials. Für eine Population der Größenordnung der Trakehner ist es Pflicht für jeden Züchter, hochgradig selektiv zu arbeiten und sich wirklich kritisch mit den eigenen Zuchttieren auseinander zu setzen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Merkmale mit hoher Erblichkeit, vor allem im Hinblick auf die Verbesserung der Springanlagen, vom Vollblut oder Araber kommen werden. Die großen Spezialhengste anderer Populationen, die mit hoher Trefferquote Springvermögen und Springveranlagung in die Zucht bringen, gibt es nicht mehr wie vor 20 Jahren.   


Es ist ebenso unwahrscheinlich, dass die Quelle deutlicher Verbesserungen aus der Population selber kommt, aber nur kritische Selektion von Hengsten und vor allem Stuten können diese überhaupt ans Tageslicht befördern. Dafür muss sich jedoch einiges im Denken und Handeln der Züchterschaft ändern. Das wichtigste Selektionskriterium ist Sportlichkeit, nicht Typ. Wenn Eigenschaften wie Sportlichkeit, Elastizität oder Springvermögen nicht als Auswahlkriterien dienen, werden sie auch nicht wie von Zauberhand eines Tages auftauchen. Diese Merkmale werden eher noch weiter in den Hintergrund treten, wenn sie nicht bei Zuchtentscheidungen Priorität erhalten. Trakehner Züchter müssen sich an ttributen des Sportpferdes orientieren, wenn sie systematisch Weltklasseathleten produzieren wollen.

Reduktion der Anzahl neu gekörter Hengste
Der Trakehner Verband ist im Vergleich zu den meisten anderen Zuchtverbänden verhältnismäßig klein. 2009 wurden 1.234 Fohlen registriert. Obwohl die Mitgliederanzahl deutlich geringer ist als bei der Konkurrenz, erwarten die Züchter das gleiche Niveau an Betreuung und Hilfe von Verbandsseite. Dennoch kört der Verband jedes Jahr nur geringfügig weniger Hengste als beispielsweise der Holsteiner Verband, der fünfmal mehr Fohlen pro Jahr registriert. Das gleiche gilt auch für den Vergleich mit dem KWPN, der sogar 11- bis12-malso groß ist wie der Trakehner Verband. Bei der Anzahl und mitunter Qualität der gekörten Hengste spalten sich die, durchaus auch finanziellen, Interessen der Züchterschaft von den besten Absichten, eine gute Zuchtpolitik zu betreiben. Für diese kleine Population bedeuten schon 10 nicht wirklich erstklassige gekörte Hengste mit beispielsweise 24 Stuten und im Idealfall 240 Fohlen, dass 20% des nächsten Fohlenjahrgangs von weniger guten Vatertieren geprägt sind. Die Trakehner können sich diesen Luxus‘ schlicht nicht erlauben. Desweiteren müsste deutlich mehr Wert auf die Sportlichkeit von Mutterstämmen gelegt werden. Neu gekörte Hengste müssten im Gros aus Familien stammen, die sich über ihre Sporterfolge definieren, nicht über die Anzahl an Titeln oder gekörten Hengsten im Mutter stamm.

Fokus auf den Sport
Wie eingangs erwähnt, nahm über viele Jahre die Selektion des Trakehner Typs eine übergeordnete Rolle ein. Neuerdings scheint ein wichtiges Kriterium die Größe bzw. der Rahmen zu sein. Das sind sicherlich keine schlechten Ziele - der Markt verlangt nach großrahmigen Pferden, auch wenn das nicht unbedingt mit der Größe oder den Fähigkeiten der Reiter korreliert. Aber Größe und Rahmen sind keine Attribute, die Sportlichkeit fördern. Vielmehr müssen sich Trakehner Züchter auf einem fundamentalen Level fragen , was sie wollen - typvolle, große Pferde für den Amateursport, oder Weltklasseathleten in allen Formen und Typausprägungen. Das ist eine schwere Wahl. Es ist unmöglich die Sportlichkeit zu erhöhen, wenn das Augenmerk auf reinen Äußerlichkeiten liegt. 

Springeignung im Blick
Es ist aus heutiger Sicht sicherlich ausgeschlossen, dass Trakehner Pferde wieder zu ihrer Größe im internationalen Springsport kommen, die sie einst innehatten. Zu viele wertvolle genetische Reserven sind unwiderruflich verloren. Es ist unwahrscheinlich, dass die heute notwendige Springeignung von einem Vollblüter oder Araber in die Population gebracht wird – zumal diese Hengste viel zu wenig decken. Wahrscheinlich werden wir nie wieder Pferde wie Abdullah, Poprad oder Topki kontinuierlich im Sport sehen, aber das bedeutet nicht, dass die Trakehner Züchter gänzlich auf Springeignung- und Selektiondarauf- verzichten sollten. Ganz im Gegenteil!  

Warum ist es so wichtig, Springeignung zu erhalten und züchterisch zu fördern, wenn wir gerade festgestellt haben, dass die Trakehner Population keine Weltklasse Springpferde en masse produzieren wird? Eine Antwort darauf ist nahe liegend: Trakehner produzieren immer noch Weltklasseathleten in der Vielseitigkeit und werden das auch in Zukunft tun, solange die richtigen züchterischen Entscheidungen getroffen werden. Der a ndere Grund ist, dass kleine Dosen erstklassiger Springgene oft die Zucht von internationalen Dressurcracks deutlich unterstützen. Einer der Hauptgründe, warum der Trakehner vor allem in Holland so segensreich wirken konnte, ist die Tatsache, dass er hier auf eine konsolidiert auf Springeignung gezogene Stutenbasis trifft und sich echte Passer finden. Der Springer bringt Kraft aus der Hinterhand, einen sehr guten Galopp und vor allem einen tragfähigen und starken Rücken mit Elastizität in den Mix – alles Attribute, die der Zucht moderner Dressurpferde nur helfen können. Obwohl ein Pferd wie der außergewöhnliche Totilas sicherlich eine Überraschung ist, überrascht es mich nicht, dass er das Resultat eines exzellenten Trakehners mit einer holländischen Stute ist, die dominant Springgene in sich trägt.

Springgenetik erhalten
Einige der wichtigsten und erfolgreichsten genetischen Reserven mit Augenmerk auf Springen innerhalb der Trakehner Population sind in den letzten Jahren durch das Aufweichen mit Dressurhengsten stark beschädigt worden. Springstämme werden nun mit Dressurhengsten angepaart. Auch wenn so eine Diversion einen Totilas produzieren kann, ändert das nichts daran, dass es auflange Sicht komplette Springstämme ausradiert. Selbst auf der Körung 2009 waren etliche Junghengste aus erstklassigen Springfamilien dabei, deren Väter als reine Dressurhengste diese Familien ad absurd um führen. In meiner Frustration ob dieser Tatsache habe ich mich irgendwann an einen deutschen Züchterkollegen gewandt und gefragt, warum die Kommission nicht die Züchter verpflichtet, nach der Verkündung der Körurteile öffentlich ein paar Sätze zu ihrer Entscheidungsfindung zu sagen. Um den Gedanken fortzusetzen muss man auch sagen, dass es ebenso wenig Sinn macht, einen auf vorherrschend Dressurleistung gezogenen, relativ „blutleeren“ Hengst wie den guten Sportler Grafenstolz TSF als Springvererher einzustufen. Nur weil er als Individuum in der Vielseitigkeit überzeugt, heißt das noch nicht, dass seine genetische Herkunft ihn als vielseitigen Vererber in der Zucht verankert. Wer mit einer Blutstute oder einer Springstute einen internationalen Topathleten züchten möchte, der muss sich ein ebenso gezogenes Vatertier suchen. 


Kürzlich sind ca. 70 Dosen sehr guten TG-Spermas des Olympischen Champions Abdullah in Europa zusammengezogen worden – die wahrscheinlich letzte Chance, sich dieser hochgradig abgesicherten Blutalternative zu bedienen. Ich selber habe mir 20 Dosen gesichert, um ihn auf den Holsteiner und Selle Francais Stämmen in Irland innerhalb des Warmblood Studbook of Ireland einzusetzen. Der Trakehner Verband sollte sich ernsthaft überlegen, die letzten Dosen aufzukaufen und in einem hochselektiven Zuchtprogramm an die wirklich besten Stuten der Gesamtpopulation zu verteilen. eben Abdullah gibt es sicherlich noch andere Trakehner Hengste, die sich als Sportpferde bewähren und als Vererber empfehlen- ich denke da insbesondere an Heops, Hirtentanz, Lücke, etliche russische bzw. ostdeutsche Genalternativen wie z.B. die Söhne von Waitaki, Nerv, anAlmox Prints oder Tzigane. Und natürlich sollten Züchter in Europa an die Tür der Besitzer eines Windfall klopfen und seinen Samen anfordern. Nach einer höchst erfolgreichen Karriere im Sport sind es nun seine Kinder, die sich in den USA nachhaltig als Topathleten empfehlen. Es wäre geradezu tragisch, wenn dieser große Sohn des Habicht komplett aus den Zuchtbüchern in Europa verschwinden würde. Sein Bluttyp, seine Eigenleistung und seine Nachkommenleistung empfehlen ihn aus meiner Sicht als würdigen Vererber zur Zucht von Hochleistungspferden im Springen und der Vielseitigkeit.Alternative Angloaraber?

Alternative Angloaraber?
Es gibt einige ausgezeichnete Anglearaber in Frankreich, die sich international im Springsport bewährt haben und als sichere Vererber erweisen. Etliche dieser Hengste sind nah verwandt, oder abstammend von der Stute Yasmin AA. Obwohl der ,Trakehner Typ‘ unter Umständen von diesen Hengsten nicht unbedingt erhalten werden kann, bringen sie doch alles andere mit, was Trakehner Züchter dringend benötigen: Blutalternativen analog der Reinzuchtprinzipien des Trakehner Verbandes, Karrieren im internationalen Spitzensport mit Nachzucht, die in ihre Fußstapfen tritt. Die Trakehner Zucht hat eine bewegte und beeindruckende sportliche Geschichte, auf die sich aufbauen lassen sollte. Es wäre eine wahrhaftige Tragödie, wenn der Trakehner nicht mehr als ein Veredler für andere Warmblutzuchten auf dem Dressursektor werden würde, ohne die Fähigkeit, aus seinen eigenen Reihen internationale Athleten zu stellen. Der Trakehner ist auf dem richtigen Weg, einem Weg zu fortgesetzter Exzellenz in allen Sparten der Reiterei, aber di ese Richtung kann schnell aus dem Fokus geraten, wenn sich Verband und Züchterschaft nicht klar entscheiden, wohin die Reise gehen soll.

Dr. Thomas Reed
Übersetzung von Dr. Maren Engelhardt

Dieser Artikel erschien im englischen Original in der Dezember-Ausgabe 2009 von Horse International.