DAS GEHEIMNIS DER RUSSISCHEN SPORTGENE
3. FOLGE – PEPEL

Wiederentdeckt und begehrt: Russen-Trakehner und ihr kostbares Erbgut - Eine Analyse der Züchter-Stammtisch-Post.

Die Russen kommen. Langsam und gewaltig. Ein Phänomen wirbelt die internationale Zuchtszene durcheinander, seit Vererber aus Russland für überragende Leistungen in Dressur und Springen stehen. Biotop, Prints, Waitaki, Perechlest oder Rusty – die Russen-Trakehner haben eines gemeinsam: Ausstrahlung und Leistungsbereitschaft. Die Pedigrees lüften das Geheimnis um die Gene dieser bedeutenden Hengste aus Kirow: Hockey, Topki, Blesk oder Pepel. Das zweite Phänomen. Diese Gene haben sich in Sport und Zucht durchgesetzt, ohne dass es für sie irgendein Marketing oder eine Werbekampagne gegeben hätte. Der Run auf das kostbare Kirow-Blut ist in vollem Gange. Die Züchter-Stammtisch-Post stellt die Ausnahme-Hengste aus Russland vor. In der dritten Folge: Topki.

Olympische Spiele, München 1972: Ein russischer Hengst und eine Reiterin aus der Sowjetunion brechen in die Phalanx der international dominierenden deutschen Dressurreiter ein und holen die Silbermedaille in der Einzelwertung. Der elegante und mächtig tretende Rapphengst heißt Pepel und hat die besten ostpreußischen Vorfahren. Die Frau im Sattel: Dr. Elena Petuschkowa. Höhet: bewertet wird nur Piaff unter Liselott Linsenhoff. Bronze geht an Josef Neckennann auf Venetia. Ein Russen-Trakehner aus Kirow, ein Newcomer in der Szene der Pirouetten und Passagen, bringt Glanz und Harmonie in den Nymphenburger Schlosspark. 

Goldene Hengste: Pepel und Piaff

„Die beiden Hengste Pepel und Piaff", so ist es im Olympiabuch 1972 nachzulesen, „brachten zweifellos die Höhepunkte in den Schlosspark" Die zweite Sensation von München: Mit Pepel und Elena

Petuschkowa holte die Sowjetunion Gold mit der Mannschaft – vor dem hoch favorisierten deutschen ‚Trio mit Liselott Linsenhoff, Josef Neckermann und Karin Schlüter. Pepel war damals 16 Jahre alt. Als er nach seiner eindrucksvollen sportlichen Karriere in die Kirower Trakehner-Zucht wechselte, hatte er auf dem internationalen Dressurparkett alles erreicht.

Hoogen schwärmte

Ein geschätzter Hippologe und Züchter war damals unter den Zuschauern am Olympia-Dressur-Viereck Gottfried Hoogen aus dem reihnischen Kevelaer, heute Ehrenvorsitzender des Trakehner Verbandes. „Seit dem habe ich von dem Hengst geschwärmt", sagt der 79-Jahrige, der im Mai 2000 sein 80. Lebensjahr vollenden wird. Auf der Suche nach einem Pepel-Nachkommen, der auf seinem rheinischen Vogelsangshof decken sollte, stieß Hoogen erst vor zwei Jahren auf Sapros (Seite24). Der 19 Jahre alte Rappe hat seine erste erfolgreiche Decksaison hinter sich.

Spannend wie ein Krimi

Das Geheimnis der russischen Sportgene – bei Pepel ist es auch noch spannend wie ein Krimi. Denn ein Trio aus der Trakehner Züchterschaft (neben Hoogen sind dies Karl Wilhelm aus dem sächsischen Stockhausen und Hans Ernst Wezel aus dem bayerischen Burgkirchen) ist kurz davor, der Öffentlichkeit die Vorfahren von Pepeis Mutter zu präsentieren. In den offiziellen Papieren heißt sie Polyn und wurde im Jahre 1943 in Trakehnen geboren. Was dann folgt, sind weiße Felder, in denen eigentlich die Namen der Vorfahren verzeichnet sein müssten.

Wilhelm/Wezel/Hoogen sind nach eigenen Recherchen und Analysen mittlerweile sicher: Polyns Vater ist der legendäre Pythagoras. „Wir wissen ganz genau", so Hans Ernst Wezel gegenüber der Züchter-Stammtisch-Post, „dass im Jahre 1943 in Trakehnen drei Töchter von Pythagoras zur Welt gekommen sind. Bei Polyn steht fest, dass sie nach Kirow gekommen ist." Eine schriftliche Anfrage an die russischen Zucht-Funktionäre läuft. Sie soll endgültige Klarheit bringen.

Inzucht auf Pythagoras

Eines ist aber schon heute Fakt und Erklärung für die außergewöhnliche Qualität dieses Hengstes: Pepel ist das erfolgreiche Produkt einer ziemlich engen Inzucht auf Pythagoras gewesen. Denn Pepels Vater, Piligrim, ist ebenfalls ein Pythagoras-Sohn gewesen, 1944 in Trakehnen geboren. Über ihn schreiben die Trakehner Hefte IV/86: „Die unverkennbaren Merkmale seines Vaters Pythagoras trägt der Rappe Piligrim, dessen Mutter Alster von Ararad eine Vertreterin der Gurdzener Rappherde war. Piligrim hat in der sowjetischen Trakehner Zucht eine blühende Hengstlinie begründet, die mehr und mehr durch hochveranlagte Pferde in den Vordergrund tritt."

Wundervolles Temperament

Weiter heißt es über Piligrim nach dessen Ankunft 1945 in Kirow: „Man erkannte die hervorragenden Eigenschaften dieses Pferdes und bemühte sich um den Ausbau einer neuen leistungsfähigen Hengstlinie. Piligrim-Blut wurde systematisch gesammelt. Die ersten Kinder entsprachen bei ihrer Bewertung im Alter von zwei Jahren der Eliteklasse, und zwar in allen Merkmalen, die zur Bonitierung führten: Abstammung, Typ, Exterieur, Maße, Leistungsfähigkeit und Vererbung." Zweierlei zeichnete die Piligrim-Nachkommen aus: wundervolles Temperament und Gutmütigkeit in der Arbeit. Als Spitzenbeschäler der Jahre 1927 bis 1963 lieferte der Ausnahmehengst 227 Zuchtpferde.

Der Wert von Wipas

Als Pepel 23 Jahre alt war, zwei Jahre vor seinem Tode, brachte er noch einen Sohn, der zu den aussichtsreichsten Trägern der Piligrim-Linie zählt: Wipas. Wörtlich heißt es über ihn: „Der Siebenjährige wurde und wird mit großem Erfolg im Leistungssport und seit 1984 züchterisch voll eingesetzt."

„Der Hengst hatte in Kirow einen enorm hohen Stellenwert", weiß Karl Wilhelm, ehemaliger Gestütsleiter im sächsischen Stockhausen. „Die Russen haben voll auf ihn gesetzt."

Die Qualität dieses Pepel-Sohnes hatte Gottfried Hoogen schnell erkannt. In der Absicht, die Trakehner Zucht in Deutschland durch dessen wertvolle Gene aufzufrischen, verhandelte er mit Kirow und bekam die Zusage: Wipas kommt nach Deutschland! Leider wurde daraus nichts. Der „beste Pepel-Sohn" (Trakehner Hefte), der mütterlicherseits das wertvolle Pomeranets/Priboj-Blut aus dem Vollblut-Arabergestüt Tersk führte, starb an den Folgen einer Kolik und wurde keine zehn Jahre alt.

Pawlin im Deckeinsatz

Sein bedeutendster lebender Sohn ist Pawlin, gerade im Rheinland auf dem Gestüt Windberg in Viersen angekommen und für NRW anerkannt (Seite 24).

Pepels Erfolge

In den Jahren 1965 bis 1967 startete der Hengst 35-mal in Großen Preisen: 6 Siege, 4 zweite Plätze, ein dritter Rang. Mit der sowjetischen Mannschaft holte er 1968 Silber bei den Olympischen Spielen in Mexico sowie Gold (Mannschaft) und Silber (Einzel) bei den Olympischen Spielen 1972 in München. 1971 wurde er Einzel-Europameister in Aachen. Bei der Europameisterschaft 1975 in Kiew gewann er noch die Bronzemedaille – im Alter von 19 Jahren! Die Russen haben ihm an der Einfahrt zum Gestüt Kirow bei Rostow am Don ein Riesendenkmal gesetzt.

Pepels beste Gene in zwei Gestüten im Rheinland

Sapros - weil Hoogen nicht locker ließ

In Kirow ist immer auf Leistung selektiert worden, weiß Gottfried Hoogen aus eigener Anschauung.

Er hat nicht locker gelassen und sich den letzten Pepel-Sohn auf seinen Vogelsangshof nach Kevelaer geholt. Hier deckt der Rapphengst Sapros, 19 Jahre alt und zugelassen für Nordrhein-Westfalen und Trakehner, jetzt in der zweiten Saison. Glück für Hoogen: Sapros hatte er in einer Sportkompanie entdeckt, wo der Hengst seine sportlichen Qualitäten bewies.

Für den Fachmann der russischen Gene, die aus Trakehnen gekommen sind, ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als Sapros ins Rheinland kam. Aus dem Trakehner Stutbuch, Bandmund IV aus Kirow (herausgegeben von Karl Wllhelm und Hans Ernst Wezel): „Trakehner Adel von höchster Bonität verkörpert dieser großrahmige Sohn des Olympiasiegers Pepel. Sein fantastisches Auge, der Ausdruck und sein souveränes Auftreten lassen keinen Betrachter unberührt. Markanz und Trockenheit dokumentieren seine Härte und Leistungsbereitschaft."

Auf der Mutterseite hat Sapros das wertvolle Vater-Vollblut von Plafon, Faktotum, Harlekin. Die Mutter der Mutter weist die bedeutenden Gene von Ostrjak, Ossian, Pilger und Pythagoras auf. Auf Pilger und Pythagoras ist Sapros auch ingezogen. Mit dem ersten Fohlenjahrgang ist Hoogen hoch zufrieden: "Alle sind bewegungsstark" Hoogen will den Pepel-Sohn „schonend einsetzen, damit wir und die Züchter noch lange etwas von ihm haben."

Zuchtjuwel

Pawlin in NRW anerkannt

Wo ist Pawlin? So hatten viele gefragt, denen dieser Hengst in der Dressur-Szene aufgefallen war, wo er unter Anna von Merfeldt bis in die Spitzenklasse vorstieß. Die Zucht-Spezialisten wollten etwas über den Verbleib des Russen-Trakehners erfahren, weil er über seinen Vater, Wipas, das wertvolle Pepel/Piligrim/Pythagoras führt und als der bedeutendste Sohn des Kirower Spitzenbeschälers Wipas gilt.

„Die Russen haben unendlich viel von Wipas gehalten, er ist viel zu früh gestorben", sagt Karl Wilhelm aus dem sächsischen Stockhausen. Wilhelm kennt auch Pawlin und dessen Nachzucht aus Kirow: „Er hat eine Reihe großer und moderner Reitpferde hervorgebracht, die in Dressur- und Springkonkurrenzen hoch erfolgreich waren."

Wo ist Pawlin? Über Bayern ist der Hengst in das Gestüt Windberg nach Viersen gekommen. Gerade ist er in Aachen für Nordrhein-Westfalen als Beschäler anerkannt worden. Allerdings: Pawlin soll erst einmal ausschließlich in der neuen heimischen Gestütsumgebung für Nachwuchs sorgen.

„Ich hätte ihn gern gehabt", bekennt Gottfried Hoogen, Ehrenvorsitzender des Trakehner Verbandes und Kenner der russischen Sportgene, über Pawlin. "Er ist ein wertvoller Hengst." Pawlin zeichnet aus, dass er die Piligrim-Gene auch noch auf der Mutterseite hat und über Wipas das exklusive Blut Pomeranets/Priboj aus dem Vollblut-Araber-Gestüt Tersk führt. Diese Gene haben auch die Dressur-Cracks Biotop und Edinburg oder der Spring-Star Prints. Weitere exponierte Vererber im Hintergrund: Pilger und Ossian.

Topki-Sohn Sektor ist in den USA

Wo ist Sektor? Diese Frage hatten Wir im letzten Heft mit der Geschichte des Russen-Trakehners Topki gestellt. Der 1986 in Rusland geborene Topki-Sohn ist in den Vereinigten Staaten. Das hat Rodo Schneider, ehemaliger Geschäftsführer der Moksel AG im bayerischen Buchloe, der Züchter-Stammtisch-Post mitgeteilt. Als der Springstall in Buchloe vor einigen Jahren aufgelöst wurde, sei Sektor in die USA verkauft worden, so Schneider. Der Hengst hatte vorher eine Reihe sportlicher S-Klassen-Erlolge unter Schneiders Sohn Ralf.Rodo Seineider will nun herausfinden, was aus Sektor geworden ist. lst der Hengst mit dem interessanten Zuchtwert noch im Sport? Wir halten Sie, liebe Leser, auf dem Laufenden.

Gute Nachricht über einen anderen Topki Sohn, den 1998 auf dem Trakehner Hengstmarkt gekörten überragenden Springer Schenkendorf. Sein Züchter, Hans Ernst Wezel aus Burgkirchen, hat ein erstes Stutenfohlen von ihm.